Arbeit.Arbeitswert.Arbeitszeit
Arbeit.Arbeitswert.Arbeitszeit, Frauendialog der SPÖ-Frauen, 2016. Meine Stellungnahme habe ich an den Bundesfrauenvorstand der SPÖ-Frauen gesendet.
Frauendialog „Arbeit“
Meine Überlegungen zum „Frauendialog.Arbeitszeit.Arbeitswert“ beginne ich mit zwei in der Ausendung angegebenen „Fakten“:
- „Die Arbeitszeit von Männern und Frauen klafft auseinander. Besonders deutlich, wenn Kinder im Haushalt sind. Während Frauen mit Kindern weniger Stunden arbeiten (a), weiten Väter ihre Arbeitszeit aus.
- Zwei Drittel der unbezahlten Arbeit (b) leisten immer noch Frauen.“
- Hier werden zwei verschiedene Arbeitsbegriffe verwendet. (a) bezieht sich auf Erwerbsarbeit/Berufsarbeit, (b) bezeichnet Versorgungsarbeit/ Konsumarbeit im Familienhaushalt als Arbeit.
- Die erste Zwischenüberschrift des Dokuments „Beruf und Freizeit“ erklärt ohne es direkt auszusprechen die Konsumarbeit im Haushalt und die im Falle von Kindern stark vermehrte Versorgungsarbeit zu freier Zeit, die man/frau beliebig für Interessen verwenden kann.
Im Abschnitt „Beruf und Freizeit“ wird auch festgestellt, dass nur 19% der Alleinerzieherinnen die Vereinbarkeit von „Beruf und Familienleben“ gut gelingt. In dieser Aussage wird „Freizeit“ zum „Familienleben“ umgewandelt.
Worin besteht die zum Familienleben gewordene Freizeit? Es geht um die Sorge für Essen, Kleidung, Wohnung - vom Einkaufen, Kochen bis hin zur Reinigung der Wäsche und der Wohnung. Dazu kommt die Betreuung der Kinder, die Gestaltung der Partnerbeziehung und das Gebären von Kindern.
- Die Lohnschere zwischen Frauen und Männern beträgt 22,4 %.
Diese „Information“ soll mitteilen, dass Frauen 22% weniger Einkommen haben als Männer. Die Lohnschere kann bedeuten, dass die durchschnittlichen Einkommen erwerbstätiger Frauen um 22,4 % niedriger sind als die durchschnittlichen Einkommen erwerbstätiger Männer. Frage: Verdienen alle Männer und alle Frauen gleich viel?
Da keine Einkommenshöhen genannt werden, kann es sich auch um den Gender Pay Gap handeln; dieser sieht von der Einkommenshöhe von vorneherein ab und gibt nur den prozentuellen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Frauen und Männern an. Das Absehen von den konkreten Einkommenshöhen führt offensichtlich auch politisch und „wissenschaftlich“ tätige Frauen dazu, einen niedrigen Prozentwert des Gender Pay Gap/der Einkommensschere als Hinweis für frauenfreundliche und/oder nicht patriarchalische Lebensbedingungen für Frauen zu betrachten. So wird in der letzten Ausgabe der Frauenzeitschrift „if:“, 1_2016, eine Aufstellung von Eurostat zu „Geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden in Europa“ übernommen; da beträgt z. B. die Lohnschere in Rumänien 9,1%, in Österreich 23,0%. Auch in Entwicklungsländern gibt es niedrigere Werte für die Lohnschere als in Österreich! Wie allgemein bekannt, bieten diese Länder sowohl für Frauen als auch für Männer keine günstigen Lebensbedingungen.
- Soziale Einkommensunterschiede
Es gibt für Österreich auch Daten zu den großen, in den letzten Jahren stark gewachsenen Einkommensunterschieden – für alle Erwerbstätigen, für Männer und für Frauen. Der Prozentunterschied zwischen den obersten 10 Prozent der Einkommen und den niedrigsten 20 Prozent ist innerhalb dieser Gruppen jeweils wesentlich größer als die prozentuelle Einkommensschere zwischen Durchschnittswerten der Einkommen von Männern und Frauen.
- „Wissenschaftliche“ Unterstützung für Diskussion der Einkommensschere
Die Diskussion von Einkommensunterschieden wird von Experten durch eine entsprechende Aufbereitung von Daten auf die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern hingelenkt. Ich sehe das als Bemühen von Experten des globalen Neoliberalismus
- den abstrakten Mann als Hauptverursacher niedriger Fraueneinkommen erscheinen zu lassen,
- die tatsächlichen unterschiedlichen Höhen der Einkommen zu übergehen und so von der zunehmenden Auseinanderentwicklung der Einkommen und den schlechten Einkommenschancen für viele Frauen und etliche Männer abzulenken
- und gleichzeitig von den Regelungen abzulenken, die von den ökonomisch Mächtigen der transnationalen Konzerne und des neoliberalen globalen Finanzkapitalismus festgelegt werden.
- Gegebenheiten, Rahmenbedingungen
die es ermöglichen, die Benachteiligung von Frauen aufrecht zu erhalten und ungleiche Vermögen und ungerechte Arbeitsbewertungen als nicht bedeutsam zu übergehen.
- Der herrschende Arbeits- und Wirtschaftsbegriff übergeht die Versorgungsökonomie als wichtigen Teil fortgeschrittener arbeitsteiliger Industriegesellschaften; Freizeit/Familienleben/Versorgungs- und Konsumarbeit spielt daher bei Planung und gesetzlichen Regelungen des Wirtschaftens keine Rolle.
- Die Arbeitsbewertung/die Höhe der Entlohnung hängt eng mit dem herrschenden Produktivitätsverständnis zusammen; je mehr eine Tätigkeit das Vermögen wachsen lässt, desto höher das Einkommen. „Typisch weibliche Berufsfelder“ – Sozial- und Dienstleistungsberufe, die nicht technisierbar oder körperbezogen und örtlich in Nähe des Familienhaushalts angesiedelt und von Frauen leicht zu erreichen sind – werden daher schlecht bezahlt.
- Die im ABGB seit 1812 festgelegte bürgerliche geschlechtsbezogene Arbeitsteilung in Verbindung mit den politischen Zuschreibungen öffentlich und privat sieht für die Tätigkeiten für das „Familienleben“ keine eigenständige, sondern die unterhaltsrechtliche, Ehe bezogene Existenz-sicherung vor. Das Unterhaltsrecht verbindet Geschlechterungleichheit mit sozialer Ungleichheit; so hängt die Höhe der Witwenpension ausschließlich von der Höhe des Einkommens des Ehemannes ab.
- Wichtige Sozialleistungen für Familien, für Arbeiten „des Familienlebens“/(der „Freizeit“) setzen vielfach die bürgerliche Ehe voraus. Für sogenannte Alleinerzieherinnen gibt es daher z. B. keine Witwenpension und keine Krankenkassenmitversicherung. Nach geltendem bürgerlichen Recht begründen nämlich nicht Kinder, sondern die Ehe eine Familie.
(Arbeiterbewegung und Frauenbewegungen haben zwar den Sozialstaat - viele Verbesserungen in den Lebensverhältnissen der nicht wohlhabenden Bevölkerung und von Frauen - erkämpft, notgedrungen ausgehend vom jeweils geltenden Recht wie dem bürgerlich feudalen Familienbegriff des ABGB aus 1812.)
- Zusammenfassende Schlussfolgerung
Das Bemühen, mit einer partnerschaftlichen Aufteilung der (sehr unterschiedlich hoch) bezahlten und unbezahlten Arbeit auf der Mikroebene des einzelnen Haushalts Geschlechtergleichheit und soziale Sicherheit für alle Frauen zu erreichen, kann nicht gelingen, so lange die gegen gleiche Chancen wirkenden vordemokratischen gesellschaftlichen Rahmenbedingen auf der Makroebene (s. Punkt 6) weiter gelten und wirksam bleiben.
Was also tun? Wir müssen den mühsamen Weg gehen, die wirtschaftlichen und rechtlichen Festlegungen auf der Makroebene so zu verändern, dass Frauen und die von ihnen im Haushalt geleisteten Arbeiten als Teil der lebensnotwendigen Arbeiten in der arbeitsteiligen Industriegesellschaft angesehen werden. Das erfordert zunächst u. a. :
- Begriffe genau verwenden; Erwerbsarbeit sagen, wenn berufliche Arbeit, Versorgungsarbeit sagen, wenn Hausarbeit oder Kinderversorgung gemeint ist. Bewusstsein für einen umfassenden Arbeitsbegriff bilden!
- Die steigenden Einkommensunterschiede bei Männern und Frauen sowie die
Vermögensunterschiede in der Diskussion besonders betonen.
- Kurzfristig zu erreichende Maßnahmen wie einen Mindestlohn (1.500 Euro) fordern und die prekären Erwerbsarbeitsverhältnisse bekämpfen; z. B. können sich geringfügige Beschäftigung ohne Sozialversicherung im Regelfall nur Personen leisten, die „unterhaltsrechtlich“ sozialversichert sind wie Studierende oder Ehefrauen. Dabei ist immer zu berücksichtigen, dass das Unterhaltsrecht soziale Ungleichheit mit Geschlechterungleichheit verbindet.